Migrationsberatung als Regelberatung notwendig
Bund plant einschneidende Kürzungen
Einwanderung nach Deutschland ist von der neuen Bundesregierung gewollt und findet trotz pandemiebedingter Einschränkungen weiterhin in hohem Maße statt. Die Lage in der Ukraine verschärft die Situation, wie auch die Pandemie dazu beträgt, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Migrationsberatungen für erwachsene Zuwanderer (MBE) stark gefordert und hohen Belastungen ausgesetzt sind.
Die Inanspruchnahme von Beratungen ist deutlich gestiegen, insbesondere in letzten Monaten. Doch die Beratungsstellen und dazu gehörige Arbeitsplätze bauen auf ein instabiles Fundament, das weder Sicherheit noch Planbarkeit bietet. Es fehlen Seitens des Bundes verlässliche Strukturen und stabile Budgets.
„Seit Einführung der MBE im Jahr 2005 müssen die Mittel hierfür jedes Jahr neu beantragt werden, ebenso wie für die seit 1991 landesgeförderte Migrationsberatung Niedersachsen. Zudem stehen Jahr für Jahr neue Budgetierungen im Raum, was die verlässliche Planung erheblich verkompliziert“, berichtet Manuel Hatting, Vorstand des DRK Kreisverband Emsland e.V.
„Aktuell sieht die Planung der Bundesregierung Kürzungen der Mittel für die Beratungsstellen von rund 20% vor. Das würde bedeuten, dass wir uns von Mitarbeitern trennen müssen und dadurch die hohe Beratungsqualität nicht mehr sicherstellen können“, erläutert Josef Wittrock, Fachbereichsleiter Jugend, Familie und Soziales.
Die Migrationsberatung ist ein wichtiger Bestandteil der Anerkennungs- und Willkommenskultur. Sie bietet wirksame und prägende Orientierungen für Ratsuchende. Gleichzeitig fördert sie den sozialen Frieden im örtlichen Gemeinwesen. Sie wirkt präventiv gegen den Aufbau von Vorurteilen und Ressentiments gegenüber Eingewanderten und sorgt durch ihre Vernetzung für weitreichende Entlastung, nicht zuletzt auch in Ämtern und Behörden.
Laut Förderrichtlinien der Bundesregierung ist eine weitere Aufgabe der Beratungsstellen, dazu beizutragen „die Abhängigkeit der Zuwanderer von staatlichen Transferleistungen auf ein notwendiges Maß zu beschränken“ und dadurch die öffentlichen Haushalte und die Systeme der sozialen Sicherung zu entlasten.
Dass die Beratungsstellen diese Aufgabe erfolgreich umsetzen, belegen Zahlen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege: 2020 ist bei den abgeschlossenen Fällen der Anteil der Ratsuchenden, die zu Beginn der Beratung ALG-II-Leistungen bezogen, von 65,5% auf 44% zum Beratungsende zurückgegangen.
„Mangelnde Integration in allen Lebensbereichen zieht langfristig nicht nur vermeidbare und unnötige Folgekosten nach sich, sondern birgt auch die Gefahr gesellschaftlicher Spaltungstendenzen“, erläutert Frederike Bahous, MBE Beraterin in Lingen.
Helen Wessels, Bereichsleiterin Migration ergänzt: „Die Anzahl der Klienten und Beratungsgespräche war in den drei Beratungsstellen des DRK Emsland auch in Pandemiezeiten mit 197 Fällen pro Vollzeitstelle in 2021 nach wie vor hoch. Diese Zahl wird nach heutigem Stand in diesem Jahr überschritten, was den enormen Bedarf verdeutlicht. Die Entwicklung wird aufgrund weiterer Zuzüge, insbesondere ins Emsland, voraussichtlich weiter anhalten bzw. zunehmen. Auch deshalb ist die MBE als Regelberatung unverzichtbar.“
Der gesellschaftliche Nutzen der Migrationsberatung ist offensichtlich und wird auch von Seiten der Politik immer wieder betont. Sie hilft dem kommunalen Gemeinwesen, sich dauerhaft und strukturell auf neue Einwanderung einzustellen, fördert Integration, trägt maßgeblich zur Entlastung in Ämtern und Behörden bei und wirkt sich positiv innerhalb der Inanspruchnahme staatlicher Leistungen aus. Umso unverständlicher ist die geplante Budgetkürzung, zumal damit auch ein möglicher Stellenabbau im Raum steht.
„Um auch künftig eine bedarfsgerechte, qualitativ hochwertige und verlässliche MBE im gesamten Landkreis Emsland anbieten zu können, appellieren wir an die Politik, die MBE in eine personell und finanziell angepasste und gesicherte Regelberatung zu überführen. So werden die seit über 30 Jahren aufgebauten Strukturen unserer Migrationsberatungs- und Kontaktstellen bewahrt und optimal genutzt, so dass ein verlässliches Angebot für die vielen Betroffenen aufrechterhalten werden kann“, betont Wittrock abschließend die dringliche Notwendigkeit.